Werkbrief
Eugen Gomringer (1925–2025)
Mit Eugen Gomringer verliert der Schweizerische Werkbund ein Mitglied, das Werkbundgedanken nicht theoretisch vertreten, sondern gelebt hat. Gomringer war kein Dichter abseits der Gestaltung, sondern ein Gestalter mit Sprache. Seine Arbeit bewegte sich ganz selbstverständlich im Feld dessen, was den Werkbund seit jeher beschäftigt: Präzision, Reduktion und gesellschaftliche Wirkung von Form.
Seine Mitgliedschaft – seine Mit-Wirkung – im Schweizerischen Werkbund war Ausdruck grosser inhaltlichen Nähe. Gomringer teilte die Überzeugung, dass Gestaltung nicht blosse formale Qualität meint, sondern kulturelle und gesellschaftliche Verantwortung.
Die konkrete Poesie Eugen Gomringers war nie Illustration. Worte standen bei ihm im Raum, klar gesetzt, streng, bewusst. Gerade dies machte seine Arbeit für den Werkbund besonders anschlussfähig. In Werkbundveranstaltungen, Lesungen und Gesprächen mit ihm zeigte sich, wie selbstverständlich sich seine Poesie in gestaltete Kontexte einfügte. Es ging dabei nicht um Grenzüberschreitungen zwischen Disziplinen, sondern um ihre Auflösung. Poesie und Gestaltung begegneten sich auf Augenhöhe. Das Gedicht wurde zur Setzung, der Raum zum Mitspieler, das Lesen zum aktiven Akt.
Die Zusammenarbeit mit Ursula und Ernst Hiestand steht exemplarisch für Eugen Gomringers Werkbunddenken. Sie verband eine grosse Sorgfalt im Umgang mit Form und Inhalt sowie ein tiefes Vertrauen in die Kraft der Reduktion. Auch ihr Wirken für das Warenhaus ABM wurde diese Haltung sichtbar: Gestaltung, Redaktion und Sprache als zusammenhängende kulturelle Praxis. Kategorien interessierten den Dichter wenig. Entscheidend war die Genauigkeit der Arbeit.
Eugen Gomringer verfügte über eine sanfte und grosse Stärke. Seine Arbeiten waren konzentriert, verbindlich, frei von Effekten. Sie verlangten Aufmerksamkeit und Mitdenken. Gerade darin lagen ihre Offenheit und ihre demokratische Qualität. Auch in gesellschaftlich aufgeladenen Diskussionen blieb Gomringer der Sache verpflichtet. Er vertraute der Form mehr als der schnellen Meinung. Diese Haltung machte ihn für den Werkbund zu einer wichtigen Referenz: Klarheit nicht als Stil, sondern als ethische Setzung.
Mit Eugen Gomringer verliert der Schweizerische Werkbund eine prägende Persönlichkeit, die gezeigt hat, wie eng Sprache und Gestaltung miteinander verbunden sind. Sein Werk erinnert daran, dass Reduktion eine Form von Respekt ist, gegenüber dem Inhalt und gegenüber dem Publikum. Seine Arbeiten wirken weiter. Sie bleiben eine Aufforderung, Gestaltung nicht auf Disziplinen zu reduzieren, sondern als Haltung zu verstehen.